Ein Verein für Vereine – Ein Interview mit Ingrid Schmidt-Schwabe und Heidrun Schröder-Höbbel

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Bild: Ingrid Schmidt-Schwabe (l.) und Heidrun Schröder-Höbbel sind Urgesteine der ehrenamtlichen Arbeit im »Freiwilligenzentrum – aktiv für Bad Nauheim«.© Hanna von Prosch

Ein Verein für Vereine

VonHanna von Prosch

Mit den Vorlesepaten fing alles an. Mittlerweile ist das Angebot des »Freiwilligenzentrums – aktiv für Bad Nauheim« breit gefächert. Geleitet wird es ehrenamtlich, was ungewöhnlich ist. Ein Interview mit der Vorsitzenden Ingrid Schmidt-Schwabe und ihrer Stellvertreterin Heidrun Schröder-Höbbel.

Als sich das »Freiwilligenzentrum – aktiv für Bad Nauheim« 2005 als gemeinnütziger Verein gründete, war es unter den ersten zehn in Hessen. Durch die Aufbauarbeit von Ingrid Schmidt-Schwabe und ihrem Gründungsteam wurde es schnell zu einer Entwicklungsagentur für ehrenamtliches Engagement und hessenweite Anlaufstelle für Qualifizierungsmaßnahmen. Und das alles nach wie vor ehrenamtlich geführt. Über Herausforderungen und Visionen sprachen wir mit der Vorsitzenden Ingrid Schmidt-Schwabe und ihrer Stellvertreterin Heidrun Schröder-Höbbel.

Ist es üblich, dass Freiwilligenagenturen ehrenamtlich geführt werden?

Schmidt-Schwabe: Nein, die meisten sind in kommunaler Hand oder bei Institutionen angegliedert. Aber damals wollte die Stadt einen Verein. Als 2008 die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (LAGFA) entstand, waren wir Gründungsmitglied und ich war im Vorstand. Dadurch profitierten wir natürlich.

Was waren die ersten Projekte?

Schmidt-Schwabe: Das waren die Vorlesepaten für Kitas und Seniorenheime, ein niederschwelliges Angebot, was sich jeder zutraut. Ruth Schroth ließ sich schon bald zur Referentin der Stiftung Lesen ausbilden. Seitdem liegt alles in unserer Hand. Dann kamen die Neubürgerbegrüßung, der Ehrenamtstag und die Stellenanzeigenwand im Rathaus dazu. Wir entwickeln ja alle Projekte und Qualifizierungsmaßnahmen selbst für die Vereine in Bad Nauheim und der Wetterau und führen sie auch durch.

Wo haben Sie sich die Qualifikation dafür erworben?

Schröder-Höbbel: Ich habe viele allgemeine Bundes- und Landesfortbildungen besucht und den Freiwilligenmanager bei der Landesehrenamtsagentur erworben. Die eigenen Gebiete haben wir uns selbst erarbeitet.

Schmidt-Schwabe: Bei mir fing es mit EFI (Erfahrungswissen für Initiativen) an, dann kam das in Bad Nauheim angesiedelte Bundesmodell »SeniorTrainer«, dann die Engagement-Lotsin und zum Schluss die Ausbildung als Freiwilligenmanagerin. Man profitiert natürlich auch vom Berufswissen und ganz wesentlich von einem gut funktionierenden Netzwerk.

Sie beide machen das jetzt schon über zehn Jahre. Was hat sich verändert?

Schröder-Höbbel: Gerade im Bereich der Qualifizierungen ist es schwieriger geworden. Seit 2021 müssen alle Maßnahmen halbjährlich beim Land eingereicht sein, um die Finanzierung der Gesamtkosten zu erhalten. Früher konnten wir nachmelden, sofern unser Verfügungsrahmen noch nicht ausgeschöpft war, damit waren wir flexibler für aktuelle Bedürfnisse der Vereine. Momentan ist das Thema Zoomkonferenz gefragt, da müssen wir schon auf Kurse im zweiten Halbjahr vertrösten.

Schmidt-Schwabe: Posten mit Verantwortung will kaum jemand übernehmen, schon überhaupt nicht langfristig. Da fehlen auch uns die jungen Menschen. Und die Bürokratie hat zugenommen.

In welchem Maße werden ihre Angebote genutzt?

Schmidt-Schwabe: Wer sich engagieren will, sucht sich ein Projekt, zum Beispiel Lesepaten, im Seniorenbereich oder Mithilfe im Demenz- oder Lesecafé. Wir verstehen uns ja nicht als Vermittlungsagentur, sondern als Entwicklungsagentur. Vom erworbenen Wissen haben Menschen auch persönlich oder für den Beruf etwas. Rund ein Drittel der Wetterauer Bevölkerung ist ehrenamtlich tätig, ein weiteres Drittel würde es tun, wenn die Rahmenbedingungen des Ehrenamts passen.

Gibt es ein Lieblingsprojekt?

Schmidt-Schwabe: Mir ist das ganze Feld Demenz sehr wichtig. Gerade erweitere ich mein von den Pflegekassen anerkanntes Curriculum für die Senioren- und Demenzbegleitung auf Menschen mit Migrationshintergrund. Meine Vision ist, Demenz gesellschaftsfähig zu machen. Die Silberstern-Aktion im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ist dabei ein Baustein.

Schröder-Höbbel: Mir liegt die Ausbildung der Mentoren und Mentorinnen für Leselernhelfer in Schulen sehr am Herzen. Leider konnte pandemiebedingt gerade dieses Projekt nicht stattfinden.

Auch als Verein müssen Sie finanziell existenzfähig sein. Wozu brauchen Sie Geld?

Schmidt-Schwabe: Unsere Maßnahmen sind vom Land finanziert und für die Teilnehmenden kostenlos. Überschüsse und Spenden setzen wir ein für das Demenz- und Lesecafé oder für das Märchenfest in den Sommerferien. Einmal jährlich findet für unsere Ehrenamtliche eine »Danke schön«-Einladung statt. Die Stadt stellt die Räumlichkeiten im Erika-Pitzer-Zentrum zur Verfügung und unterstützt uns beim Ehrenamtskalender. Der Kreis hat die Ehrenamtscard übernommen.

Sie sind beide in einem Alter, in dem Sie sicher mal aufhören möchten. Wie geht es weiter?

Schröder-Höbbel: (beide lachen) Das Amt bindet viel Zeit und Idealismus. Wer will sich heute noch langfristig binden? Es könnte sein, dass diese Aufgabe dann nicht mehr ehrenamtlich besetzt werden kann.

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